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Freie Literatur - Der Steg



Die folgende Geschichte: "Der Steg" kann durch jeder/mann/frau gemäß den Bestimmungen der Lizenz für Freie Inhalte (LFFI v1.0 im Sinne von Webstar) genutzt werden!


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Triptip durch die Mani


Der Steg

(c)2006 Peter Stocker, LFFI v1.0 im Sinne von www.neppstar.net
(Das Entfernen dieses Eintrags ist nicht gestattet! Bei Veränderung der Werke dürfen jedoch die neuen LizenzgeberInnen hinzugefügt werden.)

"Der Steg" wurde 2006 unter die freie Lizenz gestellt, und in der freien Kunstsammlung Webstar zum ersten Mal veröffentlicht. Die geltende Interpretation der freien Lizenz kann ebendort heruntergeladen werden.


Wie immer wenn ich reise, habe ich auch auf dieser keine Uhr und auch keinen Kalender dabei. Zeit habe ich genug und welchen Tag wir gerade haben, kann ich immer an der Kleidung der Leute sehen; zumindest erkenne ich den Sonntag.
Es war also Mitte der Woche, als ich mit einem Fischkutter, der auch immer ein paar Passagiere befördert, Post und nötiges von der großen Insel bringt, auf der Insel Keros ankam. Keros, zu der Zeit eine kleine verschlafene Insel im Südosten von Naxos. Kaum Tourismus und also auch kaum all das was mit Tourismus zu tun hatte.

Alle zehn Tage die große Fähre und sonst nur was mit eigenen Booten zu erledigen war. Gemüseanbau und Fischfang für den eigenen Verbrauch, Ziegen, Schafe, Hühner und Schweine gehörten zum Bild jeden Hauses. So hatte auch fast jedes Haus immer ein oder zwei kleine einfache Zimmer mit Bett, Schrank, Tisch und Stuhl und, was damals noch nicht so selbstverständlich war, elektrisches Licht. Wenn man sich ein Zimmer mit Licht gemietet hatte, mußte man immer vorher schon den Preis klären denn man konnte oft böse Überraschungen erleben.

Da ich aber vor einem Jahr schon mal hier war und damals bei Dimitrios wohnte, hatte ich nicht lange zu suchen und auch nicht zu feilschen. Dimitrios, ein Grieche der lange in München lebte und jetzt das Haus seiner Eltern geerbt hatte, dachte sich, daß es in der Heimat doch nicht schlecht ist und in seinem eigenen Haus schon gar nicht.

In München arbeitete er bei BMW und wohnte in einer kleinen teuren Mietwohnung, also kein schlechter Tausch. Sein Hof war eineinhalb Kilometer von Meer weg und nach nordeuropäisch-griechischen Gesichtspunkten eingerichtet. Also, einfach aber sehr sauber. Vor allem sauber und nicht teuer. Da Dimitrios für seine Gäste nicht kochte, mußte ich mir selbst etwas einfallen lassen. Am Meer war eine kleine Taverne die mittags und abends immer lauwarmes Essen servierte und auch sonst so ziemlich alles hatte, was ein Mensch so braucht: ein "Magazin" - also ein Geschäft. Zu dem Magazin gehörte auch ein Holzsteg, der sich so gute dreißig Meter ins Meer streckte und einigen Fischer- und Privatbooten Liegeplatz bot. Für mich war der Steg ein beliebter Platz um mich zu sonnen und ins Wasser zu springen.
Aber der Steg war schon sehr alt und die Boote blieben auch nur an ihrem Platz, weil sie nichts anderes zu tun hatten, und alleine im Meer wollten sie auch nicht sein. Also klammerten sie sich mit ihren Tauen am alten Steg fest und fürchteten jedes aufziehende Gewitter und baten Neptun um ruhiges Meer.
Der Wirt des Magazins warnte mich jeden Tag aufs neue, auf den Steg zu gehen und versprach mir, wie schon letztes Jahr, daß der Steg bald repariert werde und dann alles o.k. sei. Mit der nötigen Vorsicht war es auch nicht so schlimm. Na ja ...

Wie ich aber die Sache so kenne, wird die Reparatur schon sieben Jahre versprochen und noch drei werden vergehen bis sich was tue. Halt Griechenland ...
Auch hier wurde ich eines Besseren belehrt. Den Kleidern nach war Sonntag gestern, heute also Montag und somit ein Arbeitstag. Ich als Tourist schälte mich aber erst gegen Mittag aus den Decken und wanderte langsam zum Strand um Kaffee zu trinken und ein kleines Frühstück einzunehmen. Von weitem merkte ich schon, da ist was im Gange.

Beim Näherkommen konnte ich dann schon sehen was los war. Acht Arbeiter und ein Kombibagger waren tatsächlich dabei den Steg abzureißen. Die Deckbretter waren schon weg und sie waren gerade dabei die alten Stempel aus dem Wasser zu ziehen. Der Wirt begrüßte mich freudig und machte mich darauf aufmerksam, daß ich heute nicht auf den Steg könne. Das hatte ich auch so verstanden ... und, daß jetzt doch der Neue gebaut werde. Ich machte es mir also auf der von Wein überwucherten Veranda bequem, aß mein Frühstück und beobachtete die Arbeiter bei ihrem Tun. Der Morgen verging. Da ich so schön saß und das Mittagessen grade fertig war, aß ich auch zu Mittag und beim Nachmittagkaffee war alles weg. Der komplette Steg war abgebaut zerlegt und auf später angekommene Lastwagen verladen worden. Für den Rest des Tages wurde dann nur noch gefeiert, gegessen, Wein und Ouzo getrunken. Am Abend hatte ich dann echte Probleme nach Hause zu kommen, und am nächsten Tag kam ich kaum aus dem Bett.

Am Tag danach war ich aber doch neugierig was sich denn mit unserem Steg getan hatte. Gleich am Morgen lief ich zum Strand um zu sehen wie weit die Arbeit schon gediehen war. Zu meiner Überraschung tat sich aber gar nichts.

Die Arbeiter waren zwar da und auch kräftig am Brotzeiteln und Beratschlagen was wie gemacht werden könnte, aber das war dann auch alles. Natürlich konnte nichts gemacht werden, bevor nicht neues Holz da war. Daß kein Holz zum Bau da war ist mir auch erst jetzt aufgefallen. Und das sollte erst am Wochenende mit der großen Fähre gebracht werden.

Und so war’s dann auch. Die große Fähre kam und mit ihr tatsächlich drei große Lastwagen voll schönes, für Meerwasser geeignetes Holz. Noch am selben Nachmittag war alles abgeladen und ordentlich gestapelt. Natürlich wieder ein Grund zum feiern. Das ist auch etwas, was ich in diesem Land gelernt habe. Es gibt immer einen Grund zum feiern. Eine sehr angenehme Art. Und wenn gefeiert wird, müssen immer alle mitfeiern. Das Wochenende verging und eine neue Woche begann. Ich freute mich schon auf den Strandbesuch, und auf das Erlebnis zu sehen wie der neue Steg zusammengebaut werden sollte. Schon früh war ich in der Taverne. Die Arbeiter waren auch schon alle da. Nur am Arbeiten war keiner.

Ouzo stand auf dem Tisch und Wein und Fische gab es und jede Menge anderer Leckereien, ein Fest?! Wofür ein Fest war mir nicht klar, aber ich mußte mitfeiern und das habe ich dann doch verstanden.
Das Fest endete am Nachmittag und man verabredete sich natürlich für den nächsten Tag zum Stegbau.

Der nächste Tag kam und verging wie der vorherige. Ein weiterer Tag verstrich ohne daß ein Handstreich getan wurde. Die Arbeiter waren kräftig am zeigen und messen, planen und verwerfen. Mit Zigaretten und Zündholzschachteln waren allerlei Modelle gebaut worden, die dann durch den Wirt wieder zerstört wurden, als er große Platten mit frisch gebackenem Fisch servierte.

" Ja morgen"; hieß es am Abend "morgen wird angefangen". Wer's glaubt ...

Die nächsten beiden Tage verstrichen wie die vorherigen, mit dem kleinen Unterschied, daß statt acht nur drei Arbeiter erschienen und man mir zu verstehen gab, mit nur drei Arbeitern könne man unmöglich so ein Projekt durchziehen, und außerdem hätten die andern was anderes zu tun und morgen sei ja auch noch ein Tag. Nur, der Wirt erklärte mir, morgen sei Samstag und danach Sonntag, und daß da niemand arbeitet.

Also, Stegbau erst nächste Woche. Langsam war es mir dann auch langweilig geworden, immer nur Feste feiern und kein Ergebnis zu sehen, sodaß ich mich für die nächsten Tage außer zum Frühstück nicht am Strand sehen ließ. Ich vertrieb mir die Zeit mit Spazierfahrten über die Insel, am Abend war ich im Ort zum Essen und zum Schwimmen gab´s ja genug andere Möglichkeiten. Die Arbeiter waren natürlich jeden Morgen da und hatten aus welchem Grund auch immer natürlich heute vor mit dem Steg anzufangen. Und wenn ich anderntags zum Frühstück kam war alles beim Alten. So verstrichen weitere drei bis vier Tage, ohne daß ich einen Fortschritt hätte erkennen können.

Da ich der Sprache noch nicht mächtig war, konnte ich natürlich nicht verstehen inwieweit das Stegprojekt verbal schon gewachsen war, denn geredet, gemessen und gezeigt wurde immer recht viel, vor allem wurde geredet. Und natürlich gegessen und getrunken.

Da es sich um eine kleine Insel handelt, hatte ich bald alle Strände bebadet und alle Hügel beklettert, in den meisten der Lokale gegessen und auch sonst keine Lust mehr hier zu bleiben.
Noch am selben Nachmittag war ich am Hafen, um mich nach Verbindungen umzusehen, die ich von hier weg, wo anders hin nehmen könnte. Drei Tage später war eine Fähre fällig, die mich zu einer anderen Insel bringen konnte, und die ich auch gleich buchte.

Am Abend beim Wein in unserer kleinen Taverne am Meer erklärte ich dem Wirt, daß ich mit der nächsten Fähre abreisen würde, und ich hier eine schöne Zeit verbracht hätte, was mir "Freibier" bis zu meiner Abreise einbrachte.
Ich erklärte ihm auch, daß ich es schade finde, daß der Steg es nicht geschafft hat fertig zu werden, ja noch nicht mal angefangen war. Worauf er nur trocken meinte "morgen oder übermorgen" werde er fertig sein und daß ich nicht bis nächstes Jahr warten müßte, um ins Wasser zu springen.
Solche Versprechen kannte ich zur Genüge. Und drei Tage hatte ich ja auch noch, wir würden es ja sehen.

Ja und am Morgen holten sie dann ihren Trumpf aus dem Ärmel, geweckt wurde ich durch den Lärm einer - klarer Fall: Baumaschine! Ein Bagger, aber mit einer Meißel-Vorrichtung. Ich war natürlich hellwach und im Nu fertig und auf dem Weg zum Meer.
Bis ich zu meinem Frühstücksplatz kam, stand der Bagger schon bis zum Bauch im Wasser und klopfte mit seinem Meißel die langen Stempel ins Meer. Im Nu waren die langen Stangen im Wasser und versenkt. Von einem Boot aus wurden lange Balken aufgenagelt, um dann vom Land her nur noch die Bohlen anzubringen. Das alles an einem Tag. Na ja nicht ganz, aber doch fast fertig, stand am Abend, als die Arbeiter abzogen, der Steg im Wasser. Ich konnte schon am selben Abend von der entstandenen Plattform aus ins Wasser springen.

Bis nächsten Tag mittags waren alle Bretter, Balken und Bohlen vernagelt und verschraubt, und am frühen Abend lagen auch die Boote wieder an ihren Plätzen. Bei Sonnenuntergang und einem richtigen Fest sah der Steg aus als wäre er schon immer dagewesen und es hätte sich nichts verändert..
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Bei meiner Abreise am nächsten Mittag, erinnerte ich mich beim zurückblicken an den Satz, "was lange währt wird endlich gut" und konnte ihn jetzt recht gut verstehen.




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